Koordination – ein total bewegendes Thema

Koordination – ein total bewegendes Thema


7 min Lesezeit

Über die Gehsteigkante balancieren, sich Bälle zuwerfen, Bausteine hochstapeln oder weitspringen: Was unsere Kinder oft ganz selbstverständlich in ihren Tagesablauf einbauen, sind wissenschaftlich gesehen wichtige Koordinationsübungen. Warum aber ist denn Koordination eigentlich so bedeutend – und wie könnt ihr sie spielerisch fördern?

Zum Einstieg: Koordination ist ja nichts anderes als die bewusste und sinnvolle Steuerung von Bewegungen. Sprich, das erfolgreiche Zusammenspiel vom zentralen Nervensystem – von Wahrnehmungen und Empfindungen – und der Muskulatur. Und damit also sehr, sehr viel. Seinen Namen hören, in die Richtung des Rufes schauen und einen Ball fangen, der auf einen zufliegt: Das ist Koordination. Einen Teller in dem Moment zu fassen bekommen, in dem er unabsichtlich vom Tisch fällt: Koordination. Einem entgegenkommenden Spaziergänger ausweichen, konzentriert in einem Buch lesen, so tun, als wäre man eine die Treppen raufschleichende Katze oder SMS tippen: detto. Und Fahrradfahren? Ihr erratet es schon. Da die Koordination offensichtlich sehr vielschichtig ist, wollen wir sie nun aber zuerst mal in ihre Einzelteile zerpflücken.

Die koordinativen Sieben: von Gleichgewicht bis Rhythmus

Im riesigen Reich der Koordination kommen speziell sieben Fähigkeiten zum Tragen, die wir hier kurz aber gerne aufzeigen möchten. Sie ergänzen oder bedingen einander – und stehen eigentlich nie für sich allein. Um die Sache anschaulicher zu machen, haben wir sie mit Beispielen aus dem täglichen Leben mit unseren Kindern ergänzt.

1. Gleichgewicht
Sogar unter schwierigen Bedingungen kann der Körper die Balance halten – oder möglichst rasch wiederherstellen. Wie beim Stehen auf einem Bein, Inlineskaten oder Radfahren.

Radfahren Woom Bikes

2. Differenzierung
Diese Fähigkeit wird häufig mit der sogenannten Auge-Hand-Koordination gleichgesetzt. Sie lässt uns Bewegungen zeitlich und auch in ihrer Dynamik unterscheiden. Und aufeinander abstimmen. Differenzierungsfähigkeit zeigt sich z.B. beim Erklettern eines unebenen Wiesenhügels ebenso wie beim Radeln oder Schwimmen.

3. Orientierung
Sie ermöglicht ein Bewusstsein unserer körperlichen Positionen und Bewegungen. Klassiker zur Veranschaulichung von Orientierungsfähigkeit sind Spiele unserer Kindheit wie „Blinde Kuh“ oder „Topfschlagen“. Aber auch am fremden Bahnhof den Ausgang zu finden oder nachts mit Taschenlampen durch den Garten zu wandern sind praktische Beispiele, wo Orientierung gefragt ist.

4. Kopplung
Die Kopplungsfähigkeit ermächtigt dazu, einzelne Bewegungen in Einklang zu bringen, um eine stimmige Gesamtbewegung zu erzeugen. Sie zeigt sich beim Seilspringen genauso wie beim Jonglieren – und gilt als koordinativ besonders bedeutend für jede eher komplexe Sportart.

5. Reaktion
Diese Fähigkeit lässt uns auf erwartete oder plötzliche Signale und Situationen sinnvoll und umgehend reagieren. Uns allen bekannte Beispiele dafür sind das Losrennen bei einem Startsignal, das Auffangen und Ausbalancieren kippender Bauklötze beim Turmbau – oder das sofortige Ausweichen bei um die Kurve kommendem Gegenverkehr.

6. Umstellung
Bei dieser Fähigkeit werden, Hand in Hand mit der Reaktionsfähigkeit, noch während einer aktiven Handlung die eigenen Bewegungen korrigiert und entsprechend angepasst. Das zeigt sich etwa bei Hindernissen auf jedem Weg, die wir unvorbereitet – und flexibel – überwinden müssen: beim Spazierengehen und Skateboard-Fahren genauso wie sinnbildlich gesprochen. Auch das mitten im Laufen spontane Überspringen einer wunderbaren, wie aus dem Nichts auftauchenden Gatsch-Lacke (ja, meistens wollen die Kinder nicht drüber-, sondern reinspringen, wir kennen das) zeigt sehr schön eine gute Umstellungsfähigkeit.

7. Rhythmisierung
Schlussendlich ist auch die Ebene von Melodien, Takt und Tönen koordinativ sehr spannend: Zum einen kann dank der Rhythmisierungsfähigkeit ein Rhythmus erkannt und motorisch umgesetzt werden. Zum anderen kann er verinnerlicht und beliebig angewandt werden. Wir sehen und hören die Rhythmisierungsfähigkeit u.a. immer dann, wenn unsere Kinder zu Musik tanzen, gemerkte Lieder nachsummen und -singen. Oder in einem speziellen Takt hämmern, klatschen und klopfen.

Warum Koordination für die kindliche Entwicklung so immens wichtig ist

Welche Rolle spielt denn nun ein kleines Fußballmatch, der Balance-Akt auf einem Baumstamm oder das Schälen und Zerkleinern eines Apfels tatsächlich in der Entwicklung – außer, dass es Spaß macht und die Selbständigkeit trainiert? Je früher Kinder ihre Koordinationsfähigkeiten entdecken, üben und ausbauen, desto leichter ist es für sie, sich auch in vielen anderen Bereichen ihres späteren Lebens zu „koordinieren“. Das betrifft nicht nur ein gutes Körpergefühl, sportliche Erfolge oder gesunde Freude an Bewegung. Sondern auch das Lesenlernen, die Reaktions- und Orientierungsfähigkeit selbst in schwierigen Situationen, das Schreiben mit Stiften und am Computer – oder die raschere Umstellungsfähigkeit, wenn Gegebenheiten plötzlich anders sind: Ob das jetzt simple Änderungen im Brettspiel-Ablauf sind oder massive Umwälzungen im Leben.

Kleiner Ausflug in Begrifflichkeiten: Von Grob- und Feinmotorik bis zur Visuomotorik

Gut zu wissen: Beinahe alle Übungen für die Grob- und Feinmotorik unterstützen automatisch auch die Koordination. Aber was ist denn jetzt eigentlich was genau?

Die Grobmotorik umfasst die großen, grundsätzlichen Bewegungsfunktionen. Sprich Greifen und Krabbeln, Gehen und Laufen oder das Heben des Kopfes. Von Feinmotorik reden wir, wenn es um die präzise Hand-Koordination geht – wie das exakte Greifen und Aufheben auch von winzigen Dingen wie Staubflocken oder einer Flaumfeder. Dabei schließt die Feinmotorik aber alle Bewegungen von Händen, Fingern und Gelenken mit ein – genauso wie die Mimik und die Bewegungen von Zunge, Mund und Zehen. Und wenn wir schon bei Feinheiten sind, wollen wir auch noch die Visuomotorik erwähnen: Sie ist die Koordination von visueller Wahrnehmung und Bewegungsfunktionen – und beinhaltet somit die bereits erwähnte Auge-Hand-Koordination.

Ganz natürliche Koordination bei ganz kleinen Menschen

Während das neugeborene Baby im ersten Lebensjahr den Greifreflex schön langsam zu einer gesteuerten Bewegung ausbaut, entwickelt sich etwa bis zur Vollendung des zweiten Jahres auch die Auge-Hand-Koordination. Nun wird ohne weiteres schon mal bewusst nach einem bestimmten Gegenstand gegriffen, ein Stapelturm aus großen Bausteinen wie unseren Bioblo Jumbos gebaut – oder mit heller Begeisterung die schönste Kugel vom Weihnachtsbaum gerissen und freudig durchs Zimmer gerollt. Ja.

Ab ungefähr 24 Monaten darf sich die Feinmotorik entwickeln: Die Augen und Hände werden mehr und mehr aufeinander abgestimmt. Mit dem grünen Stück Kreide wird das erste Kunstwerk am Asphalt gezaubert – und die interessanteste Kastanie im ganzen Park bewusst nach eigenem Ermessen ausgesucht, aufgehoben und eingesteckt. Ab jetzt macht die Förderung durch motorische Spiele ganz viel Sinn.

Dabei sind Wiederholungen nützlich: Denn je öfters die Kleinen gewisse Handlungen ablaufen lassen und Bewegungen üben, desto mehr trainieren sie ihre Koordinationsfähigkeit.

Koordination: üben, üben üben! Aber bitte spielerisch.

Abseits vom Spielen bietet der ganz normale Tagesablauf gute Übungsfelder. Die Kinder altersgerecht, aber von klein auf in – nur scheinbar! – ganz gewöhnliche Tätigkeiten wie Wäschesortieren, Tischdecken, Kochen oder Gartenarbeiten einzubinden, unterstützt daher nicht nur ihr Gefühl für Gemeinschaft und Teamwork. Sondern fördert auch die Motorik und Koordination.

Besonders viel Spaß macht die Unterstützung und Förderung von Koordination aber – na klar: als Spiel. Und unsere liebsten Koordinationsspiele hier wollen wir natürlich mit euch teilen. Kleiner Spoiler: Auch wir Großen profitieren von diesen Übungen.

Ihr habt weitere koordinative Tipps aus eurem Familienleben? Dann gerne her damit: Wir freuen uns immer über eure Kontaktaufnahme – und all eure spielerischen Inputs!

Fotos: Bioblo, Shutterstock, Woom Bikes


⇠ zur Startseite des Blogs